Für dieses Syndrom ist in seltenen Fällen der Grünling, Tricholoma equestre und Russula subnigricans verantwortlich. Der Genuss kann eine Rhabdomyolyse verursachen. Das ist ein Zerfall von quergestreifter Muskulatur: Skelettmuskulatur inklusive Zwerchfell und Herzmuskulatur.
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Bei schweren Muskelzerstörungen färbt sich infolge Ausscheidung von Myoglobin (Muskelprotein) der Urin braun.
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Im Serum ist die Kreatin-Kinase, ein Enzym, dass für die Muskeltätigkeit unentbehrlich ist, erhöht. Massive Ausscheidung von Myoglobin (Myoglobinurie) kann zu Nierenversagen führen. Leichtere Muskelschädigungen oder Befall kleiner Muskelbezirke sind weniger schmerzhaft und können am Anstieg der Kreatin-Kinase erkannt werden.
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Nicht nur Tricholoma equestre kann ein Equestre Syndrom verursachen. Auch für Russula subnigricans sind tödlich verlaufende Fälle dokumentiert. Die Vergiftung geschieht schon beim ersten Verzehr dieses hochtoxischen Pilzes.
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Erste Symptome und Verlauf der Vergiftung
Müdigkeit, Muskelschwäche, Muskelschmerzen vor allem in den Oberschenkeln, brauner Urin bei stärkeren Rhabdomyolysen
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Latenzzeit
Etwa 24 h, nach konsekutivem Genuss (innerhalb von 1 bis 3 Tagen)
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Therapie
Kontrolle des Wasser- und Elektrolythaushaltes. Förderung der Diurese, Hämoperfusion bei drohendem Nierenversagen und hohen Kreatinkinase-Werten. Evtl. osmotische Diurese mit Mannitol*. Symptomatische Behandlung der Komplikationen.
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* Mannitol ist ein natürlicher Zuckeralkohol, der als Arzneimittel peroral, als Infusion und Inhalation verabreicht wird. Er wird unter anderem für die Behandlung einer Verstopfung, bei einem akuten Nierenversagen, einem akuten Glaukom, bei einem Hirnödem und einer zystischen Fibrose eingesetzt.
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Toxin/e
Myolysin
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Diskussion
Rund um das Equestre-Syndrom (SZP 2006-5 – Dr. med. R. Flammer)
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Seit der Publikation von Bedry (1) und Mitarbeitern im New England Journal of Medicine 2001 ist der Grünling, Tricholoma equestre in die Schusslinie der Toxikologen geraten. Mehrmaliger Genuss dieses Pilzes innerhalb weniger Tag 3 kann zu einer Muskelzersetzung(Rhabdomyolyse) mit tödlichem Ausgangführen, vor allem wenn auch der Herzmuskel mitbeteiligt ist. Als Gradmesser dient die Aktivität der Kreatin-Kinase. Im Tierversuch an Mäusen konnte ebenfalls ein Anstieg der Kreatin-Kinase festgesteilt werden (Übersicht siehe 2). Rhabdomyolysen wurden auch in Taiwan nach Verzehr von Russula subnigricans beobachtet.
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Eine finnische Arbeit (3) beschäftigt sich mit der Wirkung verschiedener Pilzextrakte bei Mäusen mit einer Versuchsanordnung wie sie für Tricholoma equestre verwendet wurde. 86 Mäuse erhielten im Futter während fünf aufeinander folgenden Tagen entweder 3,6 oder 9 g/kg Körpergewicht/Tag von getrockneten und pulverisierten Pilzen folgender Arten: Russula spp., Cantharellus cibarius, Albatrellus ovinus und Leccinum versipelle.
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Bei einer Dosis von 9 g/kg Körpergewicht stieg die Kreatin-Kinase bei allen Tieren deutlich an, während an Muskulatur und Leber (noch) keine abnormen Befunde zu erheben waren.
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Will man diese Ergebnisse auf den Menschenübertragen, stehen zwei Modelle zur Diskussion. Nimmt man das Körpergewicht als Vergleich müsste ein Mensch von 70 kg Körpergewicht während fünf aufeinander folgenden Tagen täglich 1,3 bis 4,5 kg Frischpilze verzehren. Nimmt man die Körperoberfläche als Vergleichsbasis kommt man auf 106-335 g pro Tag, Mengen die vielleicht für Tricholoma equestre realistisch sein mögen. Es bleiben noch viele offene Fragen. Versuche an freiwilligen Pilzliebhabern könnten Licht ins Dunkelbringen. Dabei stünde die Kreatin-Kinase im Brennpunkt. Wie verhält sie sich bei wiederholten Monogerichten innerhalb einiger Tage?
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Fazit: Was ist ein Gift? Alles eine Frage der Menge. Der menschliche Körper ist eine «Entgiftungsmaschine», die man nicht überfordern darf.
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Die Substanz, die die quergestreifte Muskulatur angreift, ist noch nicht bekannt und, wie es scheint, bei Pilzen in unterschiedlichen Konzentrationen weit verbreitet.
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1. BEDRY R, BAUDRIMONT J, DEFFIEUX G, CREPPY EE, POMIESJP., ET AL. 2001. Wild mushroom intoxication as a cause of rhabdomyolysis. N Engl J Med, 343:798-802.
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2. FLAMMER R & E. HORAK 2003. Giftpilze-Pilzgifte. Schwabe Basel.
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3. NIEMINEN P, KIRS1 M, & A.M. MUSTONEN 2006. Suspected myotoxicity of edible wild mushroom. Soc Experimental Biology and Medicine, 221-228.
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Weiterführende Literatur / Literaturempfehlung
Ausführliche Informationen zu diesem Syndrom finden Sie im Nachschlagewerk "Giftpilze" (ISBN 978-3-03800-834-7) von René Flammer, AT-Verlag